Lobbyisten Gesucht
„Lobbyisten für Kinder und Jugendliche“ sind Menschen, die stellvertretend für deren Interessen eintreten. Dies tun sie z. B. gegenüber Politikern, politischen Gremien, einflussreichen Persönlichkeiten oder an anderen wichtigen Stellen. Diese sind auf Menschen mit Fachwissen und Erfahrungen aus der gelebten Praxis angewiesen, um richtige und kompetente Entscheidungen treffen zu können. Mitarbeitende im CVJM brauchen sich dabei nicht zu verstecken: es gibt hauptberuflich Tätige und auch viele Ehrenamtliche, die ausgewiesene Fachleute sind und fachspezifisches Wissen haben, das sie gerne und gezielt weitergeben sollten.
„Ein Lobbyist ist, wo der Politiker isst.“ (Uwe Spinder, Kabarettist)
Nicht nur Verantwortungsträger im CVJM sind aufgefordert Politikberatung/Lobbyarbeit zu betreiben, wenn es im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII, §12) heißt, dass „...in Jugendverbänden und Jugendgruppen Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert und gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet wird“ und dass „… Jugendverbände die Anliegen und Interessen junger Menschen vertreten“. Lobbyarbeit ist gut, wichtig und eine Aufgabe für den CVJM - in erster Linie auf kommunaler Ebene, wo die praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stattfindet, aber auch auf der Landes- und Bundesebene.
Daher möchte ich an dieser Stelle eine Lanze brechen für den „Lobbyismus“. Der Begriff geht auf „Lobby“ (engl. für „Vorhalle“) des Parlaments zurück, wo man auch heute (im Rathaus, im Landtag) Politiker zum Gespräch treffen kann. Durch abschreckende Beispiele (Stichworte „Korruption", „Strippenzieher“) ist Lobbyarbeit negativ in die Schlagzeilen geraten und wird - auch in „christlichen Kreisen“ - oft kritisch gesehen.
Dabei ist Politikberatung bzw. Lobbyarbeit eigentlich nichts Verwerfliches und nichts anderes als eine Methode der Einwirkung auf Entscheidungsträger und -prozesse durch Informationsbeschaffung und -austausch. Die Grenzen zwischen „objektiver Beratung“ (Weitergabe von Wissen) und „Lobbying“ (Interessenvertretung) sind fließend. Die (organisierte) Vertretung und die Artikulation verschiedener Interessen gehören ebenso zur Demokratie wie freie Wahlen oder eine unabhängige Presse.
Politikerinnen und Politiker sind auf Fachwissen angewiesen, um auf den verschiedensten Gebieten kompetent Entscheidungen treffen zu können. Sie können sich sowohl von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch extern, von eigens eingesetzten Kommissionen, von Forschungsinstituten, think tanks, Verbänden oder Kanzleien beraten lassen. Die Expertise kann ihren Entscheidungen nur zugute kommen, doch der hohe Beratungsbedarf eröffnet auch Möglichkeiten zur interessegeleiteten Einflussnahme. *
Lobbyarbeit geschieht auf sehr unterschiedliche Weise. Für den Bundestag gibt es eine „Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“ mit über 2.000 Eintragungen. Vor Ort sind persönliche Kontakte, Gespräche, Telefonate, Anschreiben, Teilnahme an Anhörungen, Besuch der Bürgersprechstunde von Politikern oder deren Einladung zu CVJM-Veranstaltungen Lobbyarbeit. Nicht zu vergessen die zahlreichen Möglichkeiten, gezielt und fachkompetent über Mandate in Gremien (z. B. Kinder- und Jugendringe) die Interessenvertretung wahrzunehmen. Letzteres muss nach vorhandenen Strukturen und Gegebenheiten abgestimmt werden. So vertritt die Ev. Jugend an vielen Stellen die Interessen des CVJM mit, aber auch andere örtlich tätige Jugendverbände sind in den Blick zu nehmen.
Wenn ihr euch dazu entschieden habt, aktiv politische Entscheidungsfindungsprozesse mit zu gestalten, ist es wichtig Akteure und Strukturen genau zu kennen. Einblicke in die politische Administration mit ihren Entscheidungsabläufen, Aufgabenbereichen, Kommunikationswegen und Weisungsbefugnissen sind unabdingbare Voraussetzung für alle weiteren Aktivitäten. Ich höre schon die unvermeidlichen Fragen „Wann sollen wir das denn noch alles leisten? Haben wir nicht einen anderen Auftrag?“ Sicher brauchen wir zur Vorbereitung und Realisierung von Lobbyarbeit zeitliche Ressourcen. Aber warum sollte es nicht Mitarbeitende geben, die die Gabe und Befähigung gerade für diese Tätigkeit haben? Für sie sind dann ggf. geeignete Fortbildungen nötig, um eine effektive Mitwirkung zu schaffen. Denn wer schlecht vorbereitet in Treffen mit den falschen Gesprächspartnern geht, wird nicht viel erreichen. **
Ein gutes Übungsfeld kann etwa das Engagement als Klassen-/Schulsprecher/-in, die Mitarbeit im Presbyterium oder Jugendausschuss der Kirchengemeinde, im Kindergartenrat bzw. der Schulpflegschaft sein.
Ich hoffe, dass sich der eine oder die andere „Lobbyist/-in“ angesprochen fühlt. Denn: Lobbyarbeit beginnt damit, dass z. B. Politiker und Medienvertreter eingeladen werden und ihnen die CVJM-Arbeit präsentiert wird. Dazu kann jeder Verein beitragen - auch ohne Spezialisten in seinen Reihen zu haben.
* aus „Politik und Zeitgeschehen“ 19/2010
** Auszüge aus: Werner Lindner „Politikberatung und Lobbying für die Kinder- und Jugendarbeit - Hinweise für die praxisbezogene Umsetzung“ (in „deutsche jugend“ - Heft 1/2012)
Bernd Opitz
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Artikel ursprünglich gekürzt in CVJM-Magazin 2/2012 veröffentlicht